RADPLAN DELTA
 
Speichenspannung
 

Liebe Rasefreunde,

es gibt Zeitgenossen, die vertreten die Ansicht, die Speiche sei eine Feder mit einer Federkonstante, eine konstante Kraft erzeugt eine proportionale elastische Längung. Das ist soweit richtig.

Die Argumentation eines Spezialisten geht so weiter:

Die Speichenspannung eines Laufrades sei praktisch egal, weil eine Belastung im Fahrbetrieb durch z.B. 1500 N immer zur selben Längenänderung der Speiche führt, egal wie hoch die Grundspannung sei. Für eine einzelne Feder trifft das zu.

Nun hängen wir nicht auf dem Fahrrad an 4 Speichen, vorne + hinten, rechts + links, sondern wir rollen auf Rädern, die aus vielen Speichen bestehen und ein vorgespanntes System darstellen.

Wenn nun eine vertikale Last auf die Achse wirkt, ist es keinesfalls so, dass nur die Speichen im Zenit des Rades gelängt werden, als ob wir an einem eindimensionalen Seil hingen. Die Belastung möchte die Achse aus der Radmitte drücken, und alle Speichen des Rades setzen sich diesem Angriff entgegen, denn eine Deformation des zuvor runden Rades betrifft alle.

Dies hat zur Folge, dass die Last sich nicht exklusiv an den wenigen Speichen im Zenit austoben kann, die Längung der Speichen im Zenit fällt geringer aus, je höher die gesamte Vorspannung des Systems ist. Es ist mit Aufwand möglich, dies zu berechnen. Statiker berechnen die Tragfähigkeit und Belastung einer Brücke, denn sie kann ein Unikat sein, und die Statik nachträglich zu verändern wäre vermeidbarer Aufwand, also bitte in diesem Fall genau rechnen.

Ein Laufrad ist ein einfach kopierbares Gut und die Speichenspannung nachträglich in beachtlichen Grenzen änderbar, also wird man da mehr Empirik und Iteration anwenden und kann sich aufwendige Modellrechnungen weitgehend sparen. Damit nicht gepfuscht wird, kann man das Ergebnis hinterher messen, wie gut das Rad rollt, wie gut es antritt, das ist objektiv verifizierbar.

Es wurde an verschiedenen Stellen viel geschrieben zu diesem Thema, vieles ist richtig, manches unzutreffend,
ich gebe ein kleines Spektrum an Aussagen weiter:

Für Allgebrauchsräder gehen viele davon aus, eine Krafteinleitung von 2 Tonnen sei das Mindeste für ein gut fahrbares Rad. Das entspricht 36 Speichen mit ca. 555 N, das ist für mich am schlappen Rand, damit kann man Brötchen holen fahren.

Eine Einleitung von 3 Tonnen gibt schon ein besseres Bild: das wären 28 Speichen mit 1070 N, schon sportlicher zu fahren, rollt besser ab, ist aber immer noch Mittelmass.

Mit 4 Tonnen kann man schon knackige Fahreigenschaften realisieren: 24 Speichen mit 1670 N. Jetzt werden einige laut aufschreien und sagen: diese Speichenspannung ist nicht generell  freigegeben. Das ist teilweise richtig, eine gute Felge, optimierter Nippelsitz, guter Sitz des Speichenkopfes im Flansch (Danke nach Tübingen), eine Speiche mit geeigneten Abmessungen, der richtige Flanschaustrittswinkel machen das aber beherrschbar und Spitzenleistungen im Radsport werden so erbracht, dauerhaft.

Wir haben Erfahrungen mit Rädern von 6 Tonnen Vorspannung, für Tandembetrieb, das fährt präzise, schnell, sicher.

Mehr Vorspannung macht ein Laufrad im Allgemeinen sicherer, nicht unsicherer. Eine gleichmässige hohe Spannung reduziert den Dynamikanteil für jede einzelne Speiche deutlich. Eine geringe Vorspannung erlaubt leider, dass einzelne Speichen hohen Spitzenbelastungen ausgesetzt werden, weil das wenig vorgespannte Rad halt nicht rund bleiben kann. Dieser (unnötige) Anstieg der Dynamikanteile führt zu Ermüdungsbrüchen bei Speichen und Felgen rund um den Nippelsitz, auch zu Flanschbrüchen. Ein Laufrad mit hoher gleichmässiger Grundspannung und in Folge geringeren Dynamikanteilen hält länger; es ist ein Irrglaube, man könne Räder durch geringe Spannung "schonen". Das Gegenteil ist der Fall.

Durch gezielte Massnahmen am Hinterrad, auch an scheibengebremsten Vorderrädern, wird die relative Belastung der beiden Seiten angenähert: Speichenzahlverhältnis rechts zu links, Querschnitt rechts zu links, asymetrische Felge. Dies bewirkt, dass beide Laufradseiten lange parallel im elastischen Bereich reagieren, was Seitenschläge verhindert. Selbstverständlich gibt es Bereiche, in denen eine absolute Speichenspannung irgendwann zu hoch ist und die Speiche dadurch entweder bricht oder sich plastisch längt. Zur Beruhigung: dieser Bereich liegt bei gutem Material so weit oben, das glaubt fast keiner. Die Kenntnis über diese Werte führt dazu, dass man Speichen der Hersteller A + B verwendet und vielleicht C vermeidet. So gibt es relevante Unterschiede zwischen 18/8 und 18/10 Edelstahl.

Zurück zum Anfang: nicht jeder wird sich im Laufradbau auskennen, die abstruse Meinung, die Speichenspannung sei weitgehend irrelevant, ist durch die FDGO abgesichert. Wirklich schlimm ist allerdings, dass Personen für solche Veröffentlichungen von Hochschulen Doktorhüte aufgesetzt bekommen. Dekan und Doktorand sollten lieber auf Laufrädern mit nur einer Tonne Vorspannung zusammen die Bonette hinab ein kleines Rennen fahren, die Strecke gibt 80-85kmh her.

viele schnelle Kilometer wünscht

maro moskopp

 
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